Eine Fundstelle zu Gefahren der Elektrotechnik (einst)

Gesehen in: Dinglers Polytechnisches Journal Bd. 328, Heft 21, 24. Mai 1913, S. 333:

“Gefahren beim Gebrauch unsachgemäß ausgeführter Haushaltungsapparate:

… Sehr viele dieser Apparate genügen auch nicht den einfachsten Ansprüchen auf gute und dauerhafte Isolation, die hier eigentlich mit Rücksicht darauf, dass solche Apparate vorwiegend in Laienhände gelangen, ganz besonders sicher ausgeführt sein müssten. Der Verfasser schildert einen Fall, bei welchem der Generaldirektor Trippe der Hohenlohewerke A.-G. sein Leben einbüßte. Die Veranlassung gab ein unbemerkt schadhaft gewordener Elektrovibrator, der gelegentlich auch während des Bades benutzt wurde. Als sich der Genannte dabei von seinem Badediener behandeln lassen wollte, wurde bemerkt, dass der Apparat nicht funktionierte. In der Badewanne sitzend, die durch ihre Befestigungsschrauben und den Ablaufstutzen gut geerdet war, erhielt der Badende, als er den Apparat zur Untersuchung in die Hand nahm, den tödlichen Schlag. Die Ursache war, dass die Zuleitung ganz einfach ohne Zugentlastung eingeführt war. Durch das unvermeidliche Zerren am Kabel hatte sich ein Leitungsende gelöst und setzte durch Berührung das metallene Gehäuse unter Spannung. Es handelte sich in diesem Fall zwar schon um 220 Volt Wechseltstrom, doch trug zweifellos die sehr gute Erdung durch den Körper des Badenden die Hauptschuld. Der Badediener hatte von dem Körperschluss nichts gemerkt, was ja auch leicht erklärlich ist, da er gut isoliert auf trockenem Linoleum stand… .”

“War was?”- 2. Preis im Geschichtswettbewerb Ruhrgebiet

Die Folkwang-Chronik “Sammlerfleiß und Stiftungswille. 90 Jahre Folkwang-Museumsverein – 90 Jahre Museum Folkwang” wurde am 27. Juni 2014 mit dem 2. Preis für wissenschaftlich Arbeitende im 6. Geschichtswettbewerb Ruhrgebiet ausgezeichnet. Vielen Dank an die Jury!

Hier ein Auszug aus der Bekanntmachung des auslobenden Forums Geschichtskultur an Ruhr und Emscher e. V.:

“Insgesamt 85 Preis hat die Jury des 6. Geschichtswettbewerbs im Ruhrgebiet vergeben und während einer feierlichen Preisverleihung im Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen am letzten Freitag (27. 6. 2014) überreicht. Unter den Preisträgern befinden sich neben dem Journalisten Andreas Rossmann, dem Filmemacher Werner Kubny und der WDR-Geschichtsredaktion ein Flüchtlingskurs des Evangelischen Bildungswerks Dortmund, ehemalige Zollverein-Koker und Bergleute sowie die Frauengeschichtswerkstatt der VHS Moers.

Das Motto lautete WAR WAS? Heimat im Ruhrgebiet – Erinnerungsorte und Gedächtnisräume. Gefragt waren Arbeiten, die sich historisch-kritisch mit dem schillernden Begriff “Heimat” auseinandersetzen oder sich mit den Erinnerungsorten des Ruhrgebiets beschäftigen.

Einen zweiten Preis in der Kategorie “professionell Arbeitende im Wissenschaftsbereich” wurde Dr. Ulrike Laufer für ihre Dokumentation “Sammlerfleiß und Stiftungswille” überreicht.”

In seiner Laudatio hob Professor Dr. Stefan Goch von der Universität Bochum insbesondere die Darstellung von bürgerschaftlichem Engagement und frühem Mäzenatentum im Ruhrgebiet hervor.

Mittelbayerische Zeitung: Innovative Kraft der Region Zeigen

Die Mittelbayerische Zeitung hat  den neuen Schauraum im Museum Theuern zum Anlass genommen, einen Artikel zu der Rolle des Bergbau- und Industriemuseum Ostbayerns im Kultur-Schloss Theuern als Schnittstelle zwischen industrieller Geschichte und aktuellem Unternehmertum in der Region zu veröffentlichen – zur Freude der Kuratorin:

http://www.mittelbayerische.de/region/amberg/amberg/artikel/die-innovative-kraft-der-region-zeigen/1024022/die-innovative-kraft-der-region-zeigen.html

 

Made in Germany – Made in Ostbayern

Unternehmer. Arbeitnehmer. Produkte – Die Industrie in der Oberpfalz 1800 bis heute

Neueröffnung eines Teils der ständigen Ausstellung im Bergbau- und Industriemuseum Theuern ab 14. März  2014.

Kuratorin: Dr. Ulrike Laufer, Essen

Das Bergbau- und Industriemuseum Ostbayern im Kultur-Schloss Theuern lässt zurzeit einen Teil seiner ständigen Ausstellung überarbeiten. Bisher präsentierte sich dieser Teil unter dem Titel „Regionen im Wandel“ und bot einen Überblick über die wichtigsten Industrien Ostbayerns. Erläutert wurden dabei vor allem die technischen Aspekte. Auf Handreichungen gab es viel Hintergrundwissen, das aber vor allem Fachleute ansprach und Laien oft schwere Nüsse zu knacken gab. Doch so kompliziert müssen  Wirtschaft und Technik gar nicht sein. Industrie  – lat. industria – bedeutet zunächst einmal Fleiß und Arbeit. Diese werden von Menschen geleistet: Einem oder mehreren Unternehmern – auch Unternehmerinnen -, die  bereit sind Zeit, Geld und Ideen zu investieren, sowie vielen Arbeitern und Arbeiterinnen, die diese Ideen umsetzen, um Lohn und Brot zu erhalten. Daraus wiederum entstehen die von den Unternehmern angestrebten Produkte, die sich am Markt verkaufen lassen, wovon wiederum beide Arbeitnehmer und Unternehmer gut leben können. Vorausgesetzt –  die Ideen sind gut und alle leisten gute Arbeit.

Aus diesen simplen Überlegungen ergaben sich das neue Konzept für die Ausstellung und damit auch der neue Titel. Er spielt natürlich auf die erfolgreiche Tradition der deutschen Industrie an. Die hatte zunächst als Nachzügler begonnen – Großbritannien, Frankreich, die Niederlande und Belgien lagen weit vorne. Wie alle schlechten Schüler und Nachzügler begannen deutsche Unternehmer zu schummeln: Sie deklarierten ihre Produkte mit falschen meist englischen Herkunftsbezeichnungen, was natürlich aufflog.

1883 entstand deshalb in Paris ein erstes internationales Abkommen zum Patent- und Markenrecht. Falsch beschriftete Ware war seitdem verboten. Allerdings hatte sich das Deutsche Reich geweigert, Vertreter zu dieser Konferenz in Paris zu schicken. Das britische Imperium erkannte daher weiteren Handlungsbedarf. Am 23. April 1887 verabschiedete das Parlament in London ein neues Gesetz. Laut dem neuen „Merchandise Marks Act“ sollten nun alle Importe einen Aufdruck tragen, der eindeutig auf das Herkunftsland verwies. Da der Welthandel noch größtenteils über britischen Handelshäuser lief, waren die deutschen Unternehmer zunächst ziemlich eingeschüchtert –ihrem Schrecken machten sie nach Außen in heller Empörung Luft.

Die Aufregung war vollkommen überflüssig. Erstmals nahm die ganze Welt zur Kenntnis, wie viele Dinge des täglichen Gebrauchs, daheim oder auch bei der Arbeit, im Deutschen Reich produziert worden waren. Außerdem stellte man fest, dass diese Ware von hoher Qualität war. Deutsche Produkte galten fortan als gut, preiswert und vor allem schnell- und massenhaft lieferbar.

Daran hätte sich in den folgenden Jahrzehnten nichts geändert, wenn sich die Deutschen nicht durch das Anzetteln von zwei Weltkriegen immer wieder in den wirtschaftlichen Abgrund geritten hätten. Doch gerade nach dem furchtbaren Zweiten Weltkrieg entstand das „Deutsche Wirtschaftswunder“. Ware „Made in Germany“ war gefragt wie kaum zuvor, die Produktqualität einzigartig. Noch immer sind 71% der deutschen Bevölkerung davon überzeugt, dass der Aufdruck „Made in Germany“ für gute Qualität bürgt. Dies stellte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung vom 24. März 2013 fest. Ein Fünftel der Bevölkerung ist allerdings skeptisch. Das können nach Meinung der Kuratorin kaum Oberpfälzer sein. Für sie ist die Oberpfalz als Industriestandort ziemlich einzigartig – mit überraschenden Standorten in wunderbarer Landschaft, höchst innovativen Produkten und Unternehmen, die guter Qualität durch gutes Design Form und Ausdruck geben. Dazu kommt eine bodenständige Arbeitnehmerschaft, welche die Verbindung von Arbeit und Heimat immer schon zu schätzen wusste.

Die Ausstellung will zeigen, dass diese Region Oberpfalz, die viele Deutsche kaum und als Industriestandort schon gar nicht kennen, wesentlich dazu beiträgt, dass Deutschland in Europa der Industriestandort Nr. 1 und in der Welt Nr.2 hinter China ist. Im Rahmen der gerade laufenden Hannover-Messe wurden Befürchtungen geäußert, dass Deutschland den zweiten Rang nicht wird halten können. Das wiederum könnte daran liegen, dass manch kluger Kopf, der solche Äußerungen tut, die Oberpfalz eben auch nicht kennt. Denn wenn die hohen Herren von Siemens in München ihren besten und innovativsten Produktionsstandort zeigen wollen – dann reisen sie nach Amberg – mitten in der Oberpfalz und mitten in Europa.

Und nicht nur sie und nicht erst jetzt.

www.made-in-ostbayern.de

Folkwang-Publikation

„Zauberkohle“ – oder wie die Essener in den frühen 20er Jahren aus Kohle Kunst machten und ihren Schatz bis heute bewahren

 

Mit meiner gerade fertig gestellten Monographie „Sammlerfleiß und Stiftungswille. 90 Jahre Folkwang-Museumsverein – 90 Jahre Museum Folkwang“ habe ich mich seit langem Mal wieder mit den Themen Mäzenatentum und bürgerlichem Engagement im Bereich Bildung und Kultur auseinandergesetzt.  Museum, Kunst, Kultur – das sind für viele Leser vielleicht eher langweilig anmutende Selbstverständlichkeiten ohne Brisanz – aber wenn es um die Frage geht, wer das Alles erhalten und finanzieren soll oder in den Anfängen sollte, erhält das Thema sehr aktuelle Bezüge.

„Wo käm´  die schönste Bildung her – und wenn sie nicht vom Bürger wär´.“- Das kennen wir schon von Goethe! Dabei konnte der Gute gar nicht ahnen, wie viele wichtige finanzielle und ideelle  Impulse aus dem Bürgertum nicht nur für das Schulwesen sondern auch für die allgemeine Erwachsenenbildung und eben auch die Entstehung unserer Museumslandschaft im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts kommen sollten.

Eigentlich war die große Welle bürgerlicher Stiftungen und Vereinsgründungen für den Bau oder den Erhalt neuer Museen schon fast verebbt, als in Essen Anfang der 1920er Jahre unter widrigsten politischen und wirtschaftlichen Umständen die Entscheidung zur Neugründung des Museums Folkwang fiel. Neu-Gründung deshalb, weil es dank Karl Ernst Osthaus von  1902 bis 1921 in Hagen, im östlichen Ruhrgebiet, schon das bezaubernde und weithin Maßstäbe setzende Folkwangmuseum gab,  dass sich ganz im Diskurs der Zeit mit dem Menschenbild auseinandersetzte und dazu moderne und modernste Kunst im Dialog mit antiken und außereuropäischen Kunstwerken zeigte. Neugründung auch deshalb, weil es auch  in Essen bereits ein Kunstmuseum gab, das durch die Krupp-Jubiläumsstiftung von 1912 recht großzügig ausgestattet worden war.

Leider starb Karl Ernst Osthaus im Frühjahr 1921, ohne sein Museum für die Zukunft finanziell absichern zu können. Seiner Familie hinterließ er den Auftrag, das Folkwangmuseum und die damit verbundene Folkwang-Idee nämlich die Menschen durch Kunst und Schönheit zu bilden, möglichst als Ganzes zu erhalten.  Dabei sollte ein Mindestkaufpreis das Erbe der Witwe und ihrer Kinder bilden.

Dieser Preis und vor allem auch eine Garantie für die Erfüllung der von Karl Ernst Osthaus testamentarisch bestimmten Auflagen für den Erhalt seines  Museums und seiner Ideen konnte lediglich in Essen aufgebracht und zugesichert werden.  In Essen gab es findige Köpfe – allen voran Oberbürgermeister Hans Luther, Landrat Friedrich Schöne (ein Sohn des Berliner Museumsdirektors Richard Schöne) und Bankier Georg Simon Hirschland – finanzstarke Unternehmen, die durch ihre Spenden den Ankauf ermöglichten, und einen durchsetzungsfähigen jungen Museumsdirektor in der Person Ernst Gosebruchs, der Karl Ernst Osthaus sehr gut gekannt hatte und sich den Erhalt des Folkwang  wie auch dessen  weitere Entwicklung zur Lebensaufgabe machte.

Unter den Unternehmen, die sich am 1. Juni 1922 zum Träger- und Stifterverein für das neue Museum Folkwang zusammenfanden, rangierte ganz vorn das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat, gefolgt von der RWE AG, großen Zechen, Eisenwerken sowie der Goldschmidt AG. Seit 1928 trat die Ruhrgas AG hinzu (diese Mitgliedschaft ging später auf den E.ON-Konzern über). Der Reichtum der Stadt Essen wie auch des Folkwang-Museumsvereins basierte (neben dem Krupp-Stahl) also auf der Kohle und ihren Nebenprodukten. Auf dieser Basis entstand nun das Museum Folkwang, das insbesondere  auf Drängen des Kohlensyndikats den Auftrag erhielt, nicht nur für die Stadt Essen sondern nach Möglichkeit für das gesamte Ruhrgebiet tätig zu sein. Gemeinsame Eigentümer und Träger waren die Stadt Essen und der Folkwang-Museumsverein. Sie schlossen einen Vertrag, der von dem für die großen Unternehmen im Ruhrgebiet tätigen Notar und Syndikus  Salomon Heinemann so hieb- und stichfest ausgearbeitet worden war, dass alle nachfolgenden politischen und finanziellen Krisen und Belastungen diese Zusammenarbeit und diesen Zusammenhalt von Stadt und Verein nicht  grundlegend stören konnten. Dabei war es für mich interessant zu recherchieren,  wie feindselig sich das Nazi-Regime gegenüber dem bürgerlichen Engagement in der Kunst verhielt. Das Museum Folkwang war überdies wohl das von den Plünderungen und Kunstrauben des nationalsozialistischen Regimes in den deutschen Museen 1937 am intensivsten betroffene Institut.

Krupp  verzichtete trotz intensiven Werbens des Museumsdirektors vorerst auf eine Mitgliedschaft, erlaubte jedoch  zwei  zum Unternehmen gehörenden und in Essen gelegenen Steinkohlenzechen dem Museumsverein beizutreten. Nach einer Umstrukturierung im Unternehmen übernahm dann aber 1936 die Fried. Krupp AG selbst die Mitgliedschaft im Folkwang-Museumsverein. Sie bildete nun neben den beiden Trägern eine starke dritte Kraft in der Förderung  und Weiterentwicklung des Museum Folkwang, wobei nicht nur Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach sondern auch ihre Nachfolger darauf achteten,  diese Förderung möglichst eigenen Sonderbereichen, wie der Graphik, der Kunst des 19. Jahrhunderts und vor allem der Fotografie, zu widmen.

Die Rüstungsindustrie des sog. „Dritten Reichs“ verlieh der Wirtschaftskraft der Kohle noch einmal auftrieb.  Nach dem großen Bedarf in den Jahren des Wiederaufbaus traf der Niedergang der Zechen die Stadt Essen mit großer Härte. Die Kohle ging – die mit ihrer Hilfe finanzierte Kunst blieb.  Seit den sechziger Jahren wurden sowohl die Energie-Unternehmen wie auch Krupp für die Weiterentwicklung des Museum Folkwang immer bedeutsamer. Leider war zu der Zeit der  1953 von der Familie Krupp von Bohlen und Halbach entwickelte ehrgeizige Plan zum Aufbau einer bundesweit bedeutsamen Museumsinsel auf dem Hügel in und um die imposante Villa der Krupps bereits  gescheitert.

Essen als bedeutendem Wirtschaftsstandort und ehrgeiziger Ruhr-Metropole hat es lange Zeit gut getan, dass gleich an zwei Orten in der Stadt bedeutende Ausstellungen zu Kunst und Kultur  gezeigt wurden: im Museum Folkwang und auf Hügel. Die Zeiten der „Zauberkohle“ sind zwar längst Vergangenheit, aber die großen Konzerne mit ihrer Energie und Strahlkraft sind geblieben.

Das zeigen die mit vielen internationalen Leihgaben bestückten Ausstellungen, das zeigt aber insbesondere der elegante und großzügige Neubau des Museum Folkwang, der auf Initiative von Berthold Beitz von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziert wurde.

Das Buch ist mit der ISBN Nr. 978-3-86930-601-8 in der Edition Steidl, Göttingen erschienen.

„Zauberkohle“

– oder wie die Essener in den frühen 20er Jahren aus Kohle Kunst machten und ihren Schatz bis heute bewahren

 

Mit meiner gerade fertig gestellten Monographie „Sammlerfleiß und Stiftungswille. 90 Jahre Folkwang-Museumsverein – 90 Jahre Museum Folkwang“ habe ich mich seit langem Mal wieder mit den Themen Mäzenatentum und bürgerlichem Engagement im Bereich Bildung und Kultur auseinandergesetzt.  Museum, Kunst, Kultur – das sind für viele Leser vielleicht eher langweilig anmutende Selbstverständlichkeiten ohne Brisanz – aber wenn es um die Frage geht, wer das Alles erhalten und finanzieren soll oder in den Anfängen sollte, erhält das Thema sehr aktuelle Bezüge.

„Wo käm´  die schönste Bildung her – und wenn sie nicht vom Bürger wär´.“- Das kennen wir schon von Goethe! Dabei konnte der Gute gar nicht ahnen, wie viele wichtige finanzielle und ideelle  Impulse aus dem Bürgertum nicht nur für das Schulwesen sondern auch für die allgemeine Erwachsenenbildung und eben auch die Entstehung unserer Museumslandschaft im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts kommen sollten.

Eigentlich war die große Welle bürgerlicher Stiftungen und Vereinsgründungen für den Bau oder den Erhalt neuer Museen schon fast verebbt, als in Essen Anfang der 1920er Jahre unter widrigsten politischen und wirtschaftlichen Umständen die Entscheidung zur Neugründung des Museums Folkwang fiel. Neu-Gründung deshalb, weil es dank Karl Ernst Osthaus von  1902 bis 1921 in Hagen, im östlichen Ruhrgebiet, schon das bezaubernde und weithin Maßstäbe setzende Folkwangmuseum gab,  dass sich ganz im Diskurs der Zeit mit dem Menschenbild auseinandersetzte und dazu moderne und modernste Kunst im Dialog mit antiken und außereuropäischen Kunstwerken zeigte. Neugründung auch deshalb, weil es auch  in Essen bereits ein Kunstmuseum gab, das durch die Krupp-Jubiläumsstiftung von 1912 recht großzügig ausgestattet worden war.

Leider starb Karl Ernst Osthaus im Frühjahr 1921, ohne sein Museum für die Zukunft finanziell absichern zu können. Seiner Familie hinterließ er den Auftrag, das Folkwangmuseum und die damit verbundene Folkwang-Idee nämlich die Menschen durch Kunst und Schönheit zu bilden, möglichst als Ganzes zu erhalten.  Dabei sollte ein Mindestkaufpreis das Erbe der Witwe und ihrer Kinder bilden.

Dieser Preis und vor allem auch eine Garantie für die Erfüllung der von Karl Ernst Osthaus testamentarisch bestimmten Auflagen für den Erhalt seines  Museums und seiner Ideen konnte lediglich in Essen aufgebracht und zugesichert werden.  In Essen gab es findige Köpfe – allen voran Oberbürgermeister Hans Luther, Landrat Friedrich Schöne (ein Sohn des Berliner Museumsdirektors Richard Schöne) und Bankier Georg Simon Hirschland – finanzstarke Unternehmen, die durch ihre Spenden den Ankauf ermöglichten, und einen durchsetzungsfähigen jungen Museumsdirektor in der Person Ernst Gosebruchs, der Karl Ernst Osthaus sehr gut gekannt hatte und sich den Erhalt des Folkwang  wie auch dessen  weitere Entwicklung zur Lebensaufgabe machte.

Unter den Unternehmen, die sich am 1. Juni 1922 zum Träger- und Stifterverein für das neue Museum Folkwang zusammenfanden, rangierte ganz vorn das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat, gefolgt von der RWE AG, großen Zechen, Eisenwerken sowie der Goldschmidt AG. Seit 1928 trat die Ruhrgas AG hinzu (diese Mitgliedschaft ging später auf den E.ON-Konzern über). Der Reichtum der Stadt Essen wie auch des Folkwang-Museumsvereins basierte (neben dem Krupp-Stahl) also auf der Kohle und ihren Nebenprodukten. Auf dieser Basis entstand nun das Museum Folkwang, das insbesondere  auf Drängen des Kohlensyndikats den Auftrag erhielt, nicht nur für die Stadt Essen sondern nach Möglichkeit für das gesamte Ruhrgebiet tätig zu sein. Gemeinsame Eigentümer und Träger waren die Stadt Essen und der Folkwang-Museumsverein. Sie schlossen einen Vertrag, der von dem für die großen Unternehmen im Ruhrgebiet tätigen Notar und Syndikus  Salomon Heinemann so hieb- und stichfest ausgearbeitet worden war, dass alle nachfolgenden politischen und finanziellen Krisen und Belastungen diese Zusammenarbeit und diesen Zusammenhalt von Stadt und Verein nicht  grundlegend stören konnten. Dabei war es für mich interessant zu recherchieren,  wie feindselig sich das Nazi-Regime gegenüber dem bürgerlichen Engagement in der Kunst verhielt. Das Museum Folkwang war überdies wohl das von den Plünderungen und Kunstrauben des nationalsozialistischen Regimes in den deutschen Museen 1937 am intensivsten betroffene Institut.

Krupp  verzichtete trotz intensiven Werbens des Museumsdirektors vorerst auf eine Mitgliedschaft, erlaubte jedoch  zwei  zum Unternehmen gehörenden und in Essen gelegenen Steinkohlenzechen dem Museumsverein beizutreten. Nach einer Umstrukturierung im Unternehmen übernahm dann aber 1936 die Fried. Krupp AG selbst die Mitgliedschaft im Folkwang-Museumsverein. Sie bildete nun neben den beiden Trägern eine starke dritte Kraft in der Förderung  und Weiterentwicklung des Museum Folkwang, wobei nicht nur Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach sondern auch ihre Nachfolger darauf achteten,  diese Förderung möglichst eigenen Sonderbereichen, wie der Graphik, der Kunst des 19. Jahrhunderts und vor allem der Fotografie, zu widmen.

Die Rüstungsindustrie des sog. „Dritten Reichs“ verlieh der Wirtschaftskraft der Kohle noch einmal auftrieb.  Nach dem großen Bedarf in den Jahren des Wiederaufbaus traf der Niedergang der Zechen die Stadt Essen mit großer Härte. Die Kohle ging – die mit ihrer Hilfe finanzierte Kunst blieb.  Seit den sechziger Jahren wurden sowohl die Energie-Unternehmen wie auch Krupp für die Weiterentwicklung des Museum Folkwang immer bedeutsamer. Leider war zu der Zeit der  1953 von der Familie Krupp von Bohlen und Halbach entwickelte ehrgeizige Plan zum Aufbau einer bundesweit bedeutsamen Museumsinsel auf dem Hügel in und um die imposante Villa der Krupps bereits  gescheitert.

Essen als bedeutendem Wirtschaftsstandort und ehrgeiziger Ruhr-Metropole hat es lange Zeit gut getan, dass gleich an zwei Orten in der Stadt bedeutende Ausstellungen zu Kunst und Kultur  gezeigt wurden: im Museum Folkwang und auf Hügel. Die Zeiten der „Zauberkohle“ sind zwar längst Vergangenheit, aber die großen Konzerne mit ihrer Energie und Strahlkraft sind geblieben.

Das zeigen die mit vielen internationalen Leihgaben bestückten Ausstellungen, das zeigt aber insbesondere der elegante und großzügige Neubau des Museum Folkwang, der auf Initiative von Berthold Beitz von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziert wurde.

Das Buch ist mit der ISBN Nr. 978-3-86930-601-8 in der Edition Steidl, Göttingen erschienen.