200 Jahre Westfalen. Jetzt! #200jwj

527 Seiten, fast drei Pfund und ein gediegener Einband. Der Ausstellungskatalog zur Jubiläums-Ausstellung “200 Jahre Westfalen”  ist nicht gerade ein Leichtgewicht. Aber damit hätte er auch nicht zum Thema gepasst. In Westfalen gilt graziles Auftreten wenig, auf den Inhalt kommt es an. Na dann: Die Leser erwartet ein gut gemachtes ansprechendes Layout mit klaren, wunderbaren Bildseiten, die zum Stöbern anregen. Sie finden zudem rund 60 Beiträge von etwa ebensovielen Autoren.

Die Themenauswahl ergibt ein buntes Kaleidoskop: schon die Titel zeigen, dass hier ganz unterschiedliche Temperamente in Wissenschaft und Darstellung ans Werk gegangen sind. (Schade nur, dass man glaubte, auf Anmerkungen ganz verzichten zu müssen.)

Es geht um den “Beginn der Moderne” um eine Provinz, die der Wiener Kongress 1815 als westfälisch definiert und in die Hände der Preußen gegeben hat. Mal finden wir in den Beiträgen mehr Provinz, mal mehr Moderne – letzteres vor allem dann natürlich, wenn es um Industrie und Technik geht.  Man stößt auf Bekanntes und Bekannte, darunter natürlich Figuren wie Annette von Droste-Hülshoff oder Carl Severing, aber auch auf überraschende Themen (Begräbniskultur, Migrationsgeschichten, Großtierwelten, Hochzeitsbräuche) und unerwartete Fragestellungen (Westfalen im Film, Die Straße als offener Lebens- und Aktionsraum).

“Mach Dir Dein eigenes Bild.” ist das Motto der Ausstellung und des gedruckten Begleitwerks. Das ist wohltuend und eingängig bei einem Thema, das nicht ganz ernst genommen werden will, denn wer will schon wirklich behaupten, Westfalen definieren zu können und wem soll dies letztendlich nutzen. Schließlich geht es nicht nur beim “Westfälisch essen” um Klischees und Klassiker.

Das Buch ist im Aschendorff Verlag erschienen, kostet in der Ausstellung knapp 20 Euro und ist durchaus jedem Westfalen-Sympathisanten zur gemütlichen Lektüre zu empfehlen.

Neues aus der Technikgeschichte – aufgelesen

lesendDinglers Polytechnisches Journal machte 1908 auf folgende Erfindung aufmerksam:

Ein Bank-Automobil

Eine interessante Neuerung stellen die kürzlich in New York von Studebaker Bros. auf den Markt gebrachten Bank-Elektromobile dar. Diese Wagen sind einerseits zum Transport von Barmitteln, und andererseits zur Beförderung von Passagieren bestimmt, und daher unmittelbar hinter dem Vordersitz mt einem ziemlich umfangreichen Safe versehen, während das Wageninnere für sechs Passagiere Raum bietet. Das Safe ist mit Stahl ausgekleidet und mit Fächern versehen, so dass die für die einzelnen Kunden bestimmten Summen leicht voneinander getrennt werden können.

Der Wagen besitzt eine Tragfähigkeit von mehr als 700 kg und wird von zwei Elektromotoren (von 80 Volt 14 Amp.) angetrieben, die ihm auf ebener Straße (bei einer Durchschnittsbelastung von 2/3 der Tragfähigkeit) eine Geschwindigkeit von 12 englischen Meilen i.d. Stunde erteilen. Unter den gleichen Verhältnissen beträgt der gesamte mit einer Batterieladung zurückzulegende Weg 40 Meilen. Die Batterie besteht aus 44 Zellen….

Es ist anzunehmen, dass derartige Automobile sich besonders in großen Städten mit weit auseinanderliegenden Vierteln für die Zwecke der Großbanken bald einbürgern werden.”

(Bd. 323, 27.6.1908, S. 413)

Eine Fundstelle zu Gefahren der Elektrotechnik (einst)

Gesehen in: Dinglers Polytechnisches Journal Bd. 328, Heft 21, 24. Mai 1913, S. 333:

“Gefahren beim Gebrauch unsachgemäß ausgeführter Haushaltungsapparate:

… Sehr viele dieser Apparate genügen auch nicht den einfachsten Ansprüchen auf gute und dauerhafte Isolation, die hier eigentlich mit Rücksicht darauf, dass solche Apparate vorwiegend in Laienhände gelangen, ganz besonders sicher ausgeführt sein müssten. Der Verfasser schildert einen Fall, bei welchem der Generaldirektor Trippe der Hohenlohewerke A.-G. sein Leben einbüßte. Die Veranlassung gab ein unbemerkt schadhaft gewordener Elektrovibrator, der gelegentlich auch während des Bades benutzt wurde. Als sich der Genannte dabei von seinem Badediener behandeln lassen wollte, wurde bemerkt, dass der Apparat nicht funktionierte. In der Badewanne sitzend, die durch ihre Befestigungsschrauben und den Ablaufstutzen gut geerdet war, erhielt der Badende, als er den Apparat zur Untersuchung in die Hand nahm, den tödlichen Schlag. Die Ursache war, dass die Zuleitung ganz einfach ohne Zugentlastung eingeführt war. Durch das unvermeidliche Zerren am Kabel hatte sich ein Leitungsende gelöst und setzte durch Berührung das metallene Gehäuse unter Spannung. Es handelte sich in diesem Fall zwar schon um 220 Volt Wechseltstrom, doch trug zweifellos die sehr gute Erdung durch den Körper des Badenden die Hauptschuld. Der Badediener hatte von dem Körperschluss nichts gemerkt, was ja auch leicht erklärlich ist, da er gut isoliert auf trockenem Linoleum stand… .”