Bauhaus, Gott und Niederrhein. Die Wiederentdeckung der Künstlerin Lotte Marx-Colsman

Im Leben der Künstlerin Lotte Marx-Colsman gab es gleich drei Kompassnadeln: die Schule des Bauhauses, ihr tiefes religiöses Empfinden und die Freude an ihrer Wahlheimat Niederrhein. Mit letzterem gemein hatte sie eine “stille Größe”, die auch dazu beitrug, dass ihr Werk zu Lebzeiten überregional kaum bekannt wurde und über die Jahre in Vergessenheit geriet. Das Bauhaus-Jahr 2019 ist ein guter Anlass, an diese ungewöhnliche Textilkünstlerin zu erinnern.

Deshalb freut es mich ganz besonders, dass die Redaktion des Gender-Blogs (www.gender-blog.de) im Rahmen des Netzwerks Frauen- und Geschlechterforschung NRW, eine biographische Reihe zu Bauhauskünstlerinnen aufgelegt und mich eingeladen hat, hier Leben und Werk von Lotte Marx-Colsman vorzustellen – Link zum Beitrag.

Eine intensive Beschäftigung mit Frauen in der Kunst findet erstaunlicher Weise in unseren Breiten erst seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts statt. (siehe Whitney Chatwick, Frauen, Kunst und Gesellschaft, engl. 1990, dt. München 2013)

Selbst das als so modern geltende Bauhaus hatte noch große Probleme mit weiblichen Kolleginnen (Ulrike Müller, Bauhaus-Frauen. Meisterinnen in Kunst, Handwerk und Geschlecht, München 2009). Als Lotte Colsman endlich in der Familie eine künstlerische Laufbahn hatte durchsetzen können, saß das Bauhaus längst in Dessau, wurde kommunistischer Umtriebe bezichtigt und war für die Tochter aus gutem Unternehmerhause unerreichbar.

Doch die Moderne war damals nicht nur im entlegenen Osten des Deutschen Reiches zu finden – Aufbruch, Innovation und Avantgarde lagen buchstäblich vor der Haustür des Familiensitzes in Hagen.

Köln und Düsseldorf wetteifern in dieser Zeit um den Ruf als Metropolen der Moderne am Rhein. Allein die von den großen Ausstellungen GESOLEI (Düsseldorf 1926) und PRESSA (Köln 1928) ausgehenden Impulse waren zumindest im Westen wesentlicher, als alles, was das Bauhaus aus Weimar oder später Dessau kündete und zeigte. Darüber hinaus verfügten beide Rheinmetropolen über lebhafte, zumal avantgardistische Künstlerszenen, die auch weibliche Vorbilder boten. Lotte Colsman bereitete sich auf die Aufnahme an der Kölner Werkschule vor, ließ sich aber dann doch von der Familie zur Ausbildung als Krankenschwester überreden.

Ausgerechnet in der Zeit des NS entschied sich die junge Frau, den Geist des Bauhauses und der Moderne aufzunehmen ( z. B. mit Kursen bei Johannes Itten in Krefeld) und zu ergänzen. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs fand sie immer wieder Aufnahme in weiterführenden Kursen an der Kunstgewerbeschule in Stuttgart aber auch an der Städelschule in Frankfurt.

Eine Existenz als Meisterin der Textilkunst hätte folgen können, wenn sie bereit gewesen wäre, der NSDAP oder einer ihrer Organisationen beizutreten. Das kam für Lotte Colsman nicht in Frage. Stattdessen entschied sie sich zur Heirat mit einem früheren Lehrer, dem Landschaftsmaler Otto Marx – trotz des Altersunterschiedes, unterschiedlicher künstlerischer Ambitionen und vor allem auch der Parteizugehörigkeit dieses Mannes.

Die Ehe schützte die kinderlose Lotte Marx-Colsman nicht vor dem Einsatz als Krankenschwester an der sogenannten Heimatfront. Möglicherweise hat sie aber auch helfen wollen. Ihre Ablehnung des Kriegsgeschehens fand Ausdruck in einem stillen Protest: Während der Kriegsjahre fertigte sie eine auf den ersten Blick sehr harmlos aussehende Tischdecke an, in deren Bordüre sie aber die Schlachtorte mit ihren Opfern verzeichnete. Der letzte “Eintrag” erfolgte nach dem Abwurf der Atombombe auf Hiroshima.

Nach dem Verlust der Düsseldorfer Atelierwohnung durch Bombenschaden, ließen sich Otto Marx und Lotte Marx-Colsman endgültig am Niederrhein nieder.

Während Otto Marx hier seine Erfüllung fand, litt Lotte unter dem Erlebten. In dieser Phase gab ihr ihre religiöse Erziehung halt. Bestätigung fand sie in den Jahren 1950 bis 1958 im Meisenheimer Freundeskreis des im NS verfolgten Publizisten und Pfarrers Hellmut von Schweinitz. Hier fand sie Anregungen für ihre religiösen Dichtungen und Darstellungen, die sie auch veröffentlichte.

Sie kulminierten in ihren beiden wichtigsten öffentlichen Aufträgen, Ehrenmale für die Gefallenen in Vynen 1957 und ein Jahr später in Appeldorn. Hier verknüpfte sie die Trauer um die Toten mit der Hoffnung auf einen “Anbruch neuer Zeit”.

Erst nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes 1969 erlaubte sich Lotte Marx-Colsman ein freies Künstlerinnendasein. Sie blieb am Niederrhein und entwickelte von hier aus ihre ausdrucksstarke, kostbare Stick- und Tapesseriekunst.

Aus unendlich kleinteiligen mehrfach gespiegelten Collagen entstanden Vorlagen für große Teppich-Bildwerke, die zum Teil in Kirchen und Kapellen der Umgebung Platz fanden.

Hans van der Grinten und Josef van Bebber hatten seit den 1950er Jahren in Kranenburg ein auf eine umfangreiche Sammlung religiöser Volkskunst basierendes Museum aufgebaut. (Heilige Orte – Heilige Dinge. Devotionalien im Museum Katharinenhof Kranenburg. Kranenburg 2009) Es war und ist zugleich ein Sammlungsort für moderne Kunst des Niederrheins. Lotte Marx-Colsman bestimmte, dass ihr Nachlass als Stiftung in diesem Museum ihrer Wahlheimat Niederrhein erhalten bliebe.

Literatur von und über Lotte Marx-Colsman:

Lotte Marx-Colsman, Gedichte, Esens o. J.

Elisabeth Wynhoff, Lotte Marx-Colsman – Eine Textilkünstleriin in der Bauhausnachfolge. Mit einem Verzeichnis der Werke aus der Lotte-Marx-Colsman-Stiftung, Museum Katharinenhof Kranenburg, Kranenburg 2002

Lotte Marx-Colsman-Stiftung, Kranenburg 1990

Theresa Georgen, Lotte Marx-Colsman. Künstlerische Arbeiten zwischen Bauhaus und Gegenwart, Bern 1985

#zeitraeumeruhr – Erinnerungsorte an Ruhr und Emscher

Heute auf Zollverein fand der erste Tag des großen Ruhrkonvents zu den Erinnerungsorten im “Ruhrgebiet” statt. Noch immer schwebt dieses merkwürdige Wortgebilde “Ruhrgebiet” über der Region an der Ruhr. Insbesondere wieder seitdem die große Hoffnung auf die “Metropole Ruhr” skeptischer gesehen wird. Während eine parallel ins Leben gerufene Website zur eigeninitiativlichen Erinnerungsverortung in der Region aufruft, haben sich die beteiligten Wissenschaftler offenbar entschlossen, anstelle von Erinnerungsorten lieber von “Zeit-Räumen” zu sprechen. Im Englischen würde man das (ohne Rücksicht auf den rätselhaften Bindestrich) mit “eras” übersetzen, im Deutschen als Synonym “Epochen” einsetzen. Eine unschwer zu verortende Epoche an der Ruhr ist sicher die Zeit der Schwerindustrie im Ruhrgebiet – was aber fangen wir mit dem Plural an? Wie verhält sich ein “Zeitraum Folkwang” zu einem “Zeitraum Arbeiterliteratur”, wie grenzt sich ein “Zeitraum Emscher” von einem “Zeitraum Halden” ab oder gehört das nicht doch zusammen in eine Epoche?
Mythen, Konstrukte, Klischees und viel Nostalgie gehören seit langem zum historiographischen Kitt dieser von der Schwerindustrie gebeutelten und offenbar noch immer ziemlich umnebelten Region zwischen Ruhr und Lippe. Mit den “Zeit-Räumen” wird es ganz verwirrend. Hoffentlich folgt morgen am zweiten Tag des Ruhrkonvents oder zumindest in Zukunft mehr Klarheit. Doch nachdem heute mit Stolz verkündet wurde, dass wir uns in 2020 auf eine große RuhrMuseums-Ausstellung mit dem Titel “100 Jahre Ruhrgebiet” freuen dürfen, gebe ich die Hoffnung auf mehr Klartext mit Klarsicht auf. Eine Rückschau auf die Gründung des Siedlungsverbands Ruhrkohlenbezirk im Mai 1920 ist ein interessantes Thema – aber muss es gleich wieder die große Keule sein?

Danke für “Wir schaffen das” – Zuspruch für Frau Merkel

Diesen Brief der Martin-Niemöller-Stiftung möchte ich gern weiter verbreiten:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
jenseits dessen, was wir aus der Perspektive der Martin-Niemöller-Stiftung kritisch sehen an der Politik der derzeitige Bundesregierung, fühlen wir uns gedrängt, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Wir möchten Ihnen ausdrücklich danken für Ihre klaren Worte und Ihre Festigkeit in der Absicht, Flüchtlingen zu helfen. Sie haben mit Ihrem Wort „Wir schaffen das“ unserer Gesellschaft etwas zugemutet in dem festen Vertrauen, dass diese zu bewältigende Aufgabe neue Potentiale in den Menschen weckt und das Vertrauen in unsere gemeinsame humane Stärke festigt. Darüber hinaus haben Sie Ihre eigene Partei und auch deren Schwesterpartei eindrücklich und authentisch auf die von Christen erwartete Menschenfreundlichkeit hingewiesen, die mit dem „C“ im jeweiligen Parteinamen verbunden ist. Für uns und viele andere haben Sie das in einer sehr unprätentiösen, aber dennoch beeindruckenden Weise getan. Dass viele Nationen unserer Erde jetzt mit Interesse und Achtung nach Deutschland blicken, hängt sehr direkt mit Ihrer klaren Haltung zusammen.
Neben dem Zuspruch haben Sie dafür auch Widerspruch und Häme geerntet, auch in den eigenen Reihen. Mit großer Achtung sehen wir, wie Sie trotz allem Ihre Haltung und deren Fundament in einer so bedrängenden menschlichen und menschenrechtlichen Notsituation immer wieder deutlich machen.
Wir danken Ihnen und bitten Sie sehr herzlich, auch weiterhin bei dieser Haltung zu bleiben und damit ein Hoffnungszeichen für verängstigte und z.T. vom Tod bedrohte Menschen zu geben. Wir werden, soweit es an uns ist, diese Haltung argumentativ unterstützen und uns weiterhin wie so viele andere an der Bewältigung der anstehenden Aufgaben beteiligen. Wir wünschen Ihnen Kraft für die weiter notwendige Standhaftigkeit.
Mit freundlichen Grüßen

Michael Karg
Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung e.V.

Bundesstiftung Industriekultur? Ja! Aber für alle

MaxhütteDie neueste Ausgabe der Zeitschrift des Deutschen Kulturrats enthält einen Aufruf zum Engagement des Bundes beim Erhalt industriehistorischer Denkmäler und Erinnerungsinstitutionen an der Ruhr: http://www.kulturrat.de/dokumente/puk/puk2015/puk04-15.pdf . Mit dem Verweis auf eine zu starke Konzentation bundesstaatlicher Kulturaktivitäten in Berlin möchte man den Blick auf Bedarf und Bedeutung der preußischen Provinz, resp. der Schwerindustrie an der Ruhr lenken. Argumentierend Preußen: das sind nicht nur die Schlösser in und um Berlin und: Preußen ist nicht durch den Schlossbau und wertvoller königlicher Sammlungen sondern dank Kohle und Stahl aufgestiegen: wohl war. Sicherlich ist das “#Ruhrgebiet” in puncto Kohle und Stahl ein einzigartiges Konglomerat von hohem erinnerungskulturellem Wert.
Aber: Berlin steht nicht nur für Preußen. Berlin ist seit 1871 eine deutsche Hauptstadt. Und die Schwerindustrie an der Ruhr hat den Aufstieg Preußens und weiterer deutscher Länder, dann des Deutschen Reichs nicht allein geschafft. Die deutsche Schwerindustrie ist durch gegenseitiges Fördern, Konkurieren, gemeinsames Experimentieren ( man denke an die bahnbrechenden Innovationen der Oberpfälzer #Maxhütte nach dem Krieg) und Handeln (z. B. gemeinsame Politik im Zollverein) groß geworden. Das Gleiche gilt für die Industrie überhaupt bis hin zur industriellen Landwirtschaft.
Ein industriekulturelles Engagement des Bundes kann und darf sich weder nur auf eine Region noch auf einen Zweig der Industrie konzentrieren. An dem Aufstieg Deutschlands zu einer der führenden Industrienationen weltweit trugen auch die Maschinenbauer in Sachsen, die Porzelliner in Nordostbayern, die Arbeiter der schwäbischen Textilfabriken, die Hafenarbeiter in Hamburg und viele, viele Arbeitnehmer und Unternehmer bei.
Wir sind im Aufbruch zu einer neuen bahnbrechenden industriellen Revolution, die im digitalen Jargon auch als Industrie 4.0 bezeichnet wird. Auch dies ist ein Teil deutscher Industriekultur. Eine Stiftung Industriekultur auf nationaler Ebene kann sich nicht nur auf das Gestern konzentrieren sondern muss auch das Heute und Morgen einbeziehen und mitdenken.
Es gehört zur Kultur der Industrie (industria = Fleiß), das sie sich weiterentwickelt und weiterlebt und dass aus Altem stets etwas Neues entsteht. Eine solche Stiftung könnte viel bewirken und täte auch dem “#Ruhrgebiet” gut.

Kunst für alle oder what really matters

Hallo! paper.li – die Museumszeitung online veröffentlichtet gestern (19.11.2014) eine Nachricht vom Landesmuseum Stuttgart:  wieder einmal ein wunderbarer MuseumsTarifeSalat: Fünf verschiedene Eintrittspreise allein für die Sonderausstellungen mit zahlreichen Ausnahmegenehmigung – HALLO?! Nichts gegen das Stuttgarter Landesmuseum selbst, anderswo ist es noch schlimmer – so unterscheidet das RuhrMuseum zwischen Museumseintritt, Sonderausstellungseintritt und vor Kurzem noch Eintrittstarifen für “Besucher”-Ausstellungen (sic?!). Museen erheben den Anspruch, Bildungseinrichtungen zu sein und Deutschland ist ein Bildungsland, also bitte schön, liebe Museen,  fangt wenigstens schon mal bei der Jugend an, aber hört nicht da auf: Freier Eintritt für alle – ecucation for free. Zur Entspannung hier noch ein Link:  Art is what really matters: http://t.co/of3AiQCKbL. Wir sehen uns im Museum.

Folkwang-Publikation

„Zauberkohle“ – oder wie die Essener in den frühen 20er Jahren aus Kohle Kunst machten und ihren Schatz bis heute bewahren

 

Mit meiner gerade fertig gestellten Monographie „Sammlerfleiß und Stiftungswille. 90 Jahre Folkwang-Museumsverein – 90 Jahre Museum Folkwang“ habe ich mich seit langem Mal wieder mit den Themen Mäzenatentum und bürgerlichem Engagement im Bereich Bildung und Kultur auseinandergesetzt.  Museum, Kunst, Kultur – das sind für viele Leser vielleicht eher langweilig anmutende Selbstverständlichkeiten ohne Brisanz – aber wenn es um die Frage geht, wer das Alles erhalten und finanzieren soll oder in den Anfängen sollte, erhält das Thema sehr aktuelle Bezüge.

„Wo käm´  die schönste Bildung her – und wenn sie nicht vom Bürger wär´.“- Das kennen wir schon von Goethe! Dabei konnte der Gute gar nicht ahnen, wie viele wichtige finanzielle und ideelle  Impulse aus dem Bürgertum nicht nur für das Schulwesen sondern auch für die allgemeine Erwachsenenbildung und eben auch die Entstehung unserer Museumslandschaft im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts kommen sollten.

Eigentlich war die große Welle bürgerlicher Stiftungen und Vereinsgründungen für den Bau oder den Erhalt neuer Museen schon fast verebbt, als in Essen Anfang der 1920er Jahre unter widrigsten politischen und wirtschaftlichen Umständen die Entscheidung zur Neugründung des Museums Folkwang fiel. Neu-Gründung deshalb, weil es dank Karl Ernst Osthaus von  1902 bis 1921 in Hagen, im östlichen Ruhrgebiet, schon das bezaubernde und weithin Maßstäbe setzende Folkwangmuseum gab,  dass sich ganz im Diskurs der Zeit mit dem Menschenbild auseinandersetzte und dazu moderne und modernste Kunst im Dialog mit antiken und außereuropäischen Kunstwerken zeigte. Neugründung auch deshalb, weil es auch  in Essen bereits ein Kunstmuseum gab, das durch die Krupp-Jubiläumsstiftung von 1912 recht großzügig ausgestattet worden war.

Leider starb Karl Ernst Osthaus im Frühjahr 1921, ohne sein Museum für die Zukunft finanziell absichern zu können. Seiner Familie hinterließ er den Auftrag, das Folkwangmuseum und die damit verbundene Folkwang-Idee nämlich die Menschen durch Kunst und Schönheit zu bilden, möglichst als Ganzes zu erhalten.  Dabei sollte ein Mindestkaufpreis das Erbe der Witwe und ihrer Kinder bilden.

Dieser Preis und vor allem auch eine Garantie für die Erfüllung der von Karl Ernst Osthaus testamentarisch bestimmten Auflagen für den Erhalt seines  Museums und seiner Ideen konnte lediglich in Essen aufgebracht und zugesichert werden.  In Essen gab es findige Köpfe – allen voran Oberbürgermeister Hans Luther, Landrat Friedrich Schöne (ein Sohn des Berliner Museumsdirektors Richard Schöne) und Bankier Georg Simon Hirschland – finanzstarke Unternehmen, die durch ihre Spenden den Ankauf ermöglichten, und einen durchsetzungsfähigen jungen Museumsdirektor in der Person Ernst Gosebruchs, der Karl Ernst Osthaus sehr gut gekannt hatte und sich den Erhalt des Folkwang  wie auch dessen  weitere Entwicklung zur Lebensaufgabe machte.

Unter den Unternehmen, die sich am 1. Juni 1922 zum Träger- und Stifterverein für das neue Museum Folkwang zusammenfanden, rangierte ganz vorn das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat, gefolgt von der RWE AG, großen Zechen, Eisenwerken sowie der Goldschmidt AG. Seit 1928 trat die Ruhrgas AG hinzu (diese Mitgliedschaft ging später auf den E.ON-Konzern über). Der Reichtum der Stadt Essen wie auch des Folkwang-Museumsvereins basierte (neben dem Krupp-Stahl) also auf der Kohle und ihren Nebenprodukten. Auf dieser Basis entstand nun das Museum Folkwang, das insbesondere  auf Drängen des Kohlensyndikats den Auftrag erhielt, nicht nur für die Stadt Essen sondern nach Möglichkeit für das gesamte Ruhrgebiet tätig zu sein. Gemeinsame Eigentümer und Träger waren die Stadt Essen und der Folkwang-Museumsverein. Sie schlossen einen Vertrag, der von dem für die großen Unternehmen im Ruhrgebiet tätigen Notar und Syndikus  Salomon Heinemann so hieb- und stichfest ausgearbeitet worden war, dass alle nachfolgenden politischen und finanziellen Krisen und Belastungen diese Zusammenarbeit und diesen Zusammenhalt von Stadt und Verein nicht  grundlegend stören konnten. Dabei war es für mich interessant zu recherchieren,  wie feindselig sich das Nazi-Regime gegenüber dem bürgerlichen Engagement in der Kunst verhielt. Das Museum Folkwang war überdies wohl das von den Plünderungen und Kunstrauben des nationalsozialistischen Regimes in den deutschen Museen 1937 am intensivsten betroffene Institut.

Krupp  verzichtete trotz intensiven Werbens des Museumsdirektors vorerst auf eine Mitgliedschaft, erlaubte jedoch  zwei  zum Unternehmen gehörenden und in Essen gelegenen Steinkohlenzechen dem Museumsverein beizutreten. Nach einer Umstrukturierung im Unternehmen übernahm dann aber 1936 die Fried. Krupp AG selbst die Mitgliedschaft im Folkwang-Museumsverein. Sie bildete nun neben den beiden Trägern eine starke dritte Kraft in der Förderung  und Weiterentwicklung des Museum Folkwang, wobei nicht nur Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach sondern auch ihre Nachfolger darauf achteten,  diese Förderung möglichst eigenen Sonderbereichen, wie der Graphik, der Kunst des 19. Jahrhunderts und vor allem der Fotografie, zu widmen.

Die Rüstungsindustrie des sog. „Dritten Reichs“ verlieh der Wirtschaftskraft der Kohle noch einmal auftrieb.  Nach dem großen Bedarf in den Jahren des Wiederaufbaus traf der Niedergang der Zechen die Stadt Essen mit großer Härte. Die Kohle ging – die mit ihrer Hilfe finanzierte Kunst blieb.  Seit den sechziger Jahren wurden sowohl die Energie-Unternehmen wie auch Krupp für die Weiterentwicklung des Museum Folkwang immer bedeutsamer. Leider war zu der Zeit der  1953 von der Familie Krupp von Bohlen und Halbach entwickelte ehrgeizige Plan zum Aufbau einer bundesweit bedeutsamen Museumsinsel auf dem Hügel in und um die imposante Villa der Krupps bereits  gescheitert.

Essen als bedeutendem Wirtschaftsstandort und ehrgeiziger Ruhr-Metropole hat es lange Zeit gut getan, dass gleich an zwei Orten in der Stadt bedeutende Ausstellungen zu Kunst und Kultur  gezeigt wurden: im Museum Folkwang und auf Hügel. Die Zeiten der „Zauberkohle“ sind zwar längst Vergangenheit, aber die großen Konzerne mit ihrer Energie und Strahlkraft sind geblieben.

Das zeigen die mit vielen internationalen Leihgaben bestückten Ausstellungen, das zeigt aber insbesondere der elegante und großzügige Neubau des Museum Folkwang, der auf Initiative von Berthold Beitz von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziert wurde.

Das Buch ist mit der ISBN Nr. 978-3-86930-601-8 in der Edition Steidl, Göttingen erschienen.

„Zauberkohle“

– oder wie die Essener in den frühen 20er Jahren aus Kohle Kunst machten und ihren Schatz bis heute bewahren

 

Mit meiner gerade fertig gestellten Monographie „Sammlerfleiß und Stiftungswille. 90 Jahre Folkwang-Museumsverein – 90 Jahre Museum Folkwang“ habe ich mich seit langem Mal wieder mit den Themen Mäzenatentum und bürgerlichem Engagement im Bereich Bildung und Kultur auseinandergesetzt.  Museum, Kunst, Kultur – das sind für viele Leser vielleicht eher langweilig anmutende Selbstverständlichkeiten ohne Brisanz – aber wenn es um die Frage geht, wer das Alles erhalten und finanzieren soll oder in den Anfängen sollte, erhält das Thema sehr aktuelle Bezüge.

„Wo käm´  die schönste Bildung her – und wenn sie nicht vom Bürger wär´.“- Das kennen wir schon von Goethe! Dabei konnte der Gute gar nicht ahnen, wie viele wichtige finanzielle und ideelle  Impulse aus dem Bürgertum nicht nur für das Schulwesen sondern auch für die allgemeine Erwachsenenbildung und eben auch die Entstehung unserer Museumslandschaft im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts kommen sollten.

Eigentlich war die große Welle bürgerlicher Stiftungen und Vereinsgründungen für den Bau oder den Erhalt neuer Museen schon fast verebbt, als in Essen Anfang der 1920er Jahre unter widrigsten politischen und wirtschaftlichen Umständen die Entscheidung zur Neugründung des Museums Folkwang fiel. Neu-Gründung deshalb, weil es dank Karl Ernst Osthaus von  1902 bis 1921 in Hagen, im östlichen Ruhrgebiet, schon das bezaubernde und weithin Maßstäbe setzende Folkwangmuseum gab,  dass sich ganz im Diskurs der Zeit mit dem Menschenbild auseinandersetzte und dazu moderne und modernste Kunst im Dialog mit antiken und außereuropäischen Kunstwerken zeigte. Neugründung auch deshalb, weil es auch  in Essen bereits ein Kunstmuseum gab, das durch die Krupp-Jubiläumsstiftung von 1912 recht großzügig ausgestattet worden war.

Leider starb Karl Ernst Osthaus im Frühjahr 1921, ohne sein Museum für die Zukunft finanziell absichern zu können. Seiner Familie hinterließ er den Auftrag, das Folkwangmuseum und die damit verbundene Folkwang-Idee nämlich die Menschen durch Kunst und Schönheit zu bilden, möglichst als Ganzes zu erhalten.  Dabei sollte ein Mindestkaufpreis das Erbe der Witwe und ihrer Kinder bilden.

Dieser Preis und vor allem auch eine Garantie für die Erfüllung der von Karl Ernst Osthaus testamentarisch bestimmten Auflagen für den Erhalt seines  Museums und seiner Ideen konnte lediglich in Essen aufgebracht und zugesichert werden.  In Essen gab es findige Köpfe – allen voran Oberbürgermeister Hans Luther, Landrat Friedrich Schöne (ein Sohn des Berliner Museumsdirektors Richard Schöne) und Bankier Georg Simon Hirschland – finanzstarke Unternehmen, die durch ihre Spenden den Ankauf ermöglichten, und einen durchsetzungsfähigen jungen Museumsdirektor in der Person Ernst Gosebruchs, der Karl Ernst Osthaus sehr gut gekannt hatte und sich den Erhalt des Folkwang  wie auch dessen  weitere Entwicklung zur Lebensaufgabe machte.

Unter den Unternehmen, die sich am 1. Juni 1922 zum Träger- und Stifterverein für das neue Museum Folkwang zusammenfanden, rangierte ganz vorn das Rheinisch-Westfälische Kohlen-Syndikat, gefolgt von der RWE AG, großen Zechen, Eisenwerken sowie der Goldschmidt AG. Seit 1928 trat die Ruhrgas AG hinzu (diese Mitgliedschaft ging später auf den E.ON-Konzern über). Der Reichtum der Stadt Essen wie auch des Folkwang-Museumsvereins basierte (neben dem Krupp-Stahl) also auf der Kohle und ihren Nebenprodukten. Auf dieser Basis entstand nun das Museum Folkwang, das insbesondere  auf Drängen des Kohlensyndikats den Auftrag erhielt, nicht nur für die Stadt Essen sondern nach Möglichkeit für das gesamte Ruhrgebiet tätig zu sein. Gemeinsame Eigentümer und Träger waren die Stadt Essen und der Folkwang-Museumsverein. Sie schlossen einen Vertrag, der von dem für die großen Unternehmen im Ruhrgebiet tätigen Notar und Syndikus  Salomon Heinemann so hieb- und stichfest ausgearbeitet worden war, dass alle nachfolgenden politischen und finanziellen Krisen und Belastungen diese Zusammenarbeit und diesen Zusammenhalt von Stadt und Verein nicht  grundlegend stören konnten. Dabei war es für mich interessant zu recherchieren,  wie feindselig sich das Nazi-Regime gegenüber dem bürgerlichen Engagement in der Kunst verhielt. Das Museum Folkwang war überdies wohl das von den Plünderungen und Kunstrauben des nationalsozialistischen Regimes in den deutschen Museen 1937 am intensivsten betroffene Institut.

Krupp  verzichtete trotz intensiven Werbens des Museumsdirektors vorerst auf eine Mitgliedschaft, erlaubte jedoch  zwei  zum Unternehmen gehörenden und in Essen gelegenen Steinkohlenzechen dem Museumsverein beizutreten. Nach einer Umstrukturierung im Unternehmen übernahm dann aber 1936 die Fried. Krupp AG selbst die Mitgliedschaft im Folkwang-Museumsverein. Sie bildete nun neben den beiden Trägern eine starke dritte Kraft in der Förderung  und Weiterentwicklung des Museum Folkwang, wobei nicht nur Gustav und Bertha Krupp von Bohlen und Halbach sondern auch ihre Nachfolger darauf achteten,  diese Förderung möglichst eigenen Sonderbereichen, wie der Graphik, der Kunst des 19. Jahrhunderts und vor allem der Fotografie, zu widmen.

Die Rüstungsindustrie des sog. „Dritten Reichs“ verlieh der Wirtschaftskraft der Kohle noch einmal auftrieb.  Nach dem großen Bedarf in den Jahren des Wiederaufbaus traf der Niedergang der Zechen die Stadt Essen mit großer Härte. Die Kohle ging – die mit ihrer Hilfe finanzierte Kunst blieb.  Seit den sechziger Jahren wurden sowohl die Energie-Unternehmen wie auch Krupp für die Weiterentwicklung des Museum Folkwang immer bedeutsamer. Leider war zu der Zeit der  1953 von der Familie Krupp von Bohlen und Halbach entwickelte ehrgeizige Plan zum Aufbau einer bundesweit bedeutsamen Museumsinsel auf dem Hügel in und um die imposante Villa der Krupps bereits  gescheitert.

Essen als bedeutendem Wirtschaftsstandort und ehrgeiziger Ruhr-Metropole hat es lange Zeit gut getan, dass gleich an zwei Orten in der Stadt bedeutende Ausstellungen zu Kunst und Kultur  gezeigt wurden: im Museum Folkwang und auf Hügel. Die Zeiten der „Zauberkohle“ sind zwar längst Vergangenheit, aber die großen Konzerne mit ihrer Energie und Strahlkraft sind geblieben.

Das zeigen die mit vielen internationalen Leihgaben bestückten Ausstellungen, das zeigt aber insbesondere der elegante und großzügige Neubau des Museum Folkwang, der auf Initiative von Berthold Beitz von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziert wurde.

Das Buch ist mit der ISBN Nr. 978-3-86930-601-8 in der Edition Steidl, Göttingen erschienen.