Danke für “Wir schaffen das” – Zuspruch für Frau Merkel

Diesen Brief der Martin-Niemöller-Stiftung möchte ich gern weiter verbreiten:
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
jenseits dessen, was wir aus der Perspektive der Martin-Niemöller-Stiftung kritisch sehen an der Politik der derzeitige Bundesregierung, fühlen wir uns gedrängt, Ihnen diesen Brief zu schreiben. Wir möchten Ihnen ausdrücklich danken für Ihre klaren Worte und Ihre Festigkeit in der Absicht, Flüchtlingen zu helfen. Sie haben mit Ihrem Wort „Wir schaffen das“ unserer Gesellschaft etwas zugemutet in dem festen Vertrauen, dass diese zu bewältigende Aufgabe neue Potentiale in den Menschen weckt und das Vertrauen in unsere gemeinsame humane Stärke festigt. Darüber hinaus haben Sie Ihre eigene Partei und auch deren Schwesterpartei eindrücklich und authentisch auf die von Christen erwartete Menschenfreundlichkeit hingewiesen, die mit dem „C“ im jeweiligen Parteinamen verbunden ist. Für uns und viele andere haben Sie das in einer sehr unprätentiösen, aber dennoch beeindruckenden Weise getan. Dass viele Nationen unserer Erde jetzt mit Interesse und Achtung nach Deutschland blicken, hängt sehr direkt mit Ihrer klaren Haltung zusammen.
Neben dem Zuspruch haben Sie dafür auch Widerspruch und Häme geerntet, auch in den eigenen Reihen. Mit großer Achtung sehen wir, wie Sie trotz allem Ihre Haltung und deren Fundament in einer so bedrängenden menschlichen und menschenrechtlichen Notsituation immer wieder deutlich machen.
Wir danken Ihnen und bitten Sie sehr herzlich, auch weiterhin bei dieser Haltung zu bleiben und damit ein Hoffnungszeichen für verängstigte und z.T. vom Tod bedrohte Menschen zu geben. Wir werden, soweit es an uns ist, diese Haltung argumentativ unterstützen und uns weiterhin wie so viele andere an der Bewältigung der anstehenden Aufgaben beteiligen. Wir wünschen Ihnen Kraft für die weiter notwendige Standhaftigkeit.
Mit freundlichen Grüßen

Michael Karg
Vorsitzender der Martin-Niemöller-Stiftung e.V.

Malewitschs Quadrat oder schwarze Menschen in der Nacht

In Erinnerungen an den mörderischen Anschlag auf Charlie Hebdo vor einem Jahr beschwören die Feuilletons die Macht des Humors, der Abstraktion, der Satire und der Karikatur. Dazwischen findet sich in der FAZ vom 7. Januar 2015 ein Bericht über ein New Yorker Symposion zum Meister des Suprematismus Kasimir Malewitsch. Genauer gesagt, geht es um die Erschütterung der Kunstwelt über die Tatsache, dass Malewitsch, ein Zeitgenosse der Dadaisten und Sympathisant des Absurden, seine Abstraktionen gelegentlich mit kleinen ironischen Bemerkungen versehen hat. Wohl erst vor kurzem (!) hat man in der Tretjakow-Galerie in Moskau einen von Malewitsch selbst stammenden Kommentar am Rande des “Scharzen Quadrats” entdeckt. Übersetzt bedeutet er in etwa “Negerschlägerei in der Nacht”.  Menschen, denen die Wertschätzung von Humor schwerfällt, können nun befürchten, dass ein Kunstwerk, das vom Künstler selbst ironisch hinterfragt wird, womöglich an Ernsthaftigkeit und damit vielleicht an Wert verlieren könnte. Das sind Menschen, die nicht begriffen haben, dass Humor und Satire, gerade auch Selbst-Ironie, zu den höchsten Stufen von Bildung und Aufklärung gehören und damit nur auf- und niemals abwerten können. Von daher freue ich mich, durch den FAZ-Bericht über dieses internationale Symposion der Experten in New York neue Aspekte in Malewitschs Werk entdeckt zu haben.

Mich interessiert aber noch etwas anderes: Die FAZ hat dankenswerter Weise den besagten Beitrag mit einer Illustration versehen, die nicht das ohnehin sattsam bekannte schwarze Quadrat von Malewitsch zeigt, sondern eine Karikatur von Alphonse Allais von 1897, die in einem angedeuteten Bilderrahmen ein rein schwarzes Bild mit dem Untertitel “Combat de nègres dans une cave, pendant la nuit” zeigt. Nun liegt der Verdacht nahe, dass diese Karikatur über ein Bild, mit dem versucht wird, einen “Negerkampf” in nächtlicher Höhle darzustellen, Malewitsch zu diesem Kommentar zu seinem schwarzen Bild angeregt haben könnte. Kunst und Karikatur waren im 19. Jahrhundert durchaus eng verbandelt, man hat sich gegenseitig Themen und Motive geliefert. Die FAZ ist nun aber nicht so kühn, zu behaupten, dass die französische Karikatur selbst zur Entstehung des “Schwarzen Quadrats” etwa 15 Jahre später beigetragen haben könnte. Man kann darüber ohnehin nur spekulieren.

Faszinierend ist, dass sich die Redewendung bis heute erhalten hat. Wobei aus dem nächtlichen Tanz in einem Keller oder einer Höhle “der Tanz der Neger im Tunnel” geworden ist, wenn es geht darum geht, ein zu dunkles, unverständliches Bild zu beschreiben. Die Karikatur des 19. und 20. Jahrhunderts hat sich –  wohl auch unter dem Einfluss des Kolonialismus –  eingehend mit dem Phänomen schwarzer Menschen, die bei Dunkelheit kaum zu erkennen sind, beschäftigt. Man kann darin den Versuch sehen, durch Humor die doppelte Bedrohung – schwarze fremde Kultur in stockdunkler Nacht – zu ironisieren und damit erträglicher zu machen.

Das alles wäre nur kulturhistorisch und anthropologisch betrachtenswert, wenn in den Silvesternächsten von Hamburg, Düssedorf und vor allem Köln nicht wieder ähnliche Bilder beschworen worden wären. So wird das, was Kunst, Abstraktion und Satire zur Befreiung des Geistes leisten, von Ereignissen, die wir nicht zulassen dürfen, eingeholt.